ROCK‘ A‘ BELLA {Buchbesprechung} / Blogger schreiben Bücher
Heute möchte ich Euch ein Buch vorstellen, das ich schon ziemlich lange hier liegen habe. Es ist aber so umfangreich, vielfältig und komplex, dass es einfach ein bißchen gedauert hat, sich damit zu beschäftigen. Man könnte jetzt auch sagen: „Da hat man lange was von!“
Tatsächlich hat es mich bereits beim ersten Reinlesen begeistert. Eben aufgrund seiner Komplexität. ROCK‘ A‘ BELLA von Gretchen Hirsch ist unter dem Titel „Gertie’s New Book for Better Sewing“ bereits im Dezember 2012 bei Stewart Tabori & Chang in englischer Sprache erschienen. Edition Fischer hat sich diesem schönen Buch angenommen und Anfang 2013 die Übersetzung veröffentlicht. Leider scheinen sich dadurch auch abschnittweise die Seiten verschoben zu haben, denn an manchen Stellen stimmen die Verweise auf andere Seiten nicht ganz. Aber vernachlässigen wir das. Schaut einfach auch nach links, obwohl da steht rechts und blättert auf Seite 96 zur Schwenkmethode anstatt auf Seite 95. Dann passt das schon ;-).
Um was geht es in Rock‘ a‘ Bella?
Gretchen Hirsch ist ebenfalls Blogautorin und teilt in ihrem Blog „Gertie’s New Blog for Better Sewing“ ihre Leidenschaft für Vintagemode. Sie schwärmt dabei nicht nur für die Mode der 50er (teilweise auch 40er), sondern auch für die handwerkliche Kunst des Nähens. Sie näht sehr viel mit der Hand und wendet auch die ursprünglichen Techniken an, kann aber an modernen Schnittmustern mit Retrodetails ebso ihre Vorteile entdecken, wie an Originalen.
Darum geht es auch in ihrem Buch. Deshalb schnell Kaffee gemacht und sich gemütlich in den Sessel gepflanzt. Bis Seite 43 gibt es erst mal eine Einführung. Genäht wird später!
Zuerst gibt es das 1 x 1 des Retro-Nähens. Wie kommt man an Vintage-Schittmuster? Wie ermittelt man die eigene Größe? Wie lagert man die alten Schätzchen und überträgt die Schnittmuster. Das „richtige“ Nähzubehör wird aufgezeigt und in einem Stoffglossar die wichtigsten Stoffarten beschrieben, wobei ich jetzt einfach mal behaupte, es sind die Stoffarten, mit denen Gretchen selbst ihre Mode fertigt.
Ab Kapitel 3, geht es dann ans Eingemachte: Die Nähtechniken / Das Nähwissen! Wer nähen kann, wird nicht viel Neues finden, für alle anderen eine schöne Zusammenstellung vom Zuschnitt und dem Fadenlauf über die Handstiche (mein persönlicher Horror, aber hier gut und mit Fotografien erklärt, so dass ich mich vielleicht doch mal…ich weiß noch nicht…), Nahtabschlüsse, Reißverschlüsse, Knopflöcher bis zu den Säumen. Alles wie im Lehrbuch.
Kapitel 4 nötigt mir absoluten Respekt ab. Hier geht es um die Maßschneiderei. Übers Verstärken mit Einlagen, das Versteifen der Oberteile bis hin zum Pikieren von Kragen. (Pikieren!)
Dann geht es weiter mit Schnittmuster entwerfen/erstellen/ändern. Immer wieder aufgelockert durch Tipps und Tricks z. B. durch eine Liste inspirierender Designer.
Besonders schön finde ich, dass auch dieses Buch wieder mit einer Spiralbindung versehen ist. So kann man es aufgeschlagen neben die Nähmaschine legen oder bequem nachlesen und Bilder ansehen, wenn man per Hand am Werkeln ist.
Während sich der erste Teil des Buches mit Grundkenntnissen und Nähwissen beschäftigt, geht es in Teil II direkt weiter mit Projekten. Dem Buch liegen nämlich 10 Mehrgroßenschnitte in Originalgröße (also nichts mit Größerkopieren und Zusammenkleben, sonder echte Schnittmusterbögen!) bei. Diese sind in einem Papierumschlag in die Buchhülle geklebt und können so ganz einfach einzeln entnommen und später auch wieder verräumt werden.
Eine Größentabelle befindet sich im Buch und gibt die Maße an, wobei sich diese wohl weder mit amerikanischen noch deutschen Größen vergleichen lassen, sondern ein „Gertie Spezial“ sind. Wer wissen möchte, ob Schnitte in seiner Größe enthalten sind, dem kann ich nur sagen, dass 8 Größen mit einem Taillenumfang zwischen 61 cm und 96,5 vorhanden sind (lt. Größentabelle, nachgemessen habe ich nicht). Wie man die Schnitte entsprechend ändert, wenn man ein bißchen drunter oder drüber bzw. zwischen einer Konfektionsgröße liegt, wird im Buch beschrieben.
Hier muss ich nun zugeben, dass ich bisher noch nichts aus dem Buch genäht, sondern nur darin gelesen haben (…dann hat man lange was von ;-)). Ich kann also nicht behaupten, ob die beiliegenden Schnitte gut umgesetzt sind oder nicht. Zumindest beim Lesen bin ich über keine Ungereimtheiten gestolpert (das kommt bei Nähbüchern/Anleitungen, gerade bei Übersetzungen sonst immer mal wieder vor.)
Ich finde ja Gerties Stil schon toll. Nicht nur Vintage sondern Rockabilly, kurzer Pony und Tatoos oder wie auf dem Cover ihres neuen Buches* mit pinken Haaren. So ein bißchen crazy und unangepasst. Da ist das auch nicht so schlimm, wenn mal ein Fältchen im Rock zu sehen ist, der Saum nicht ordentlich gebügelt (oder muss das so aussehen?) oder ein Träger absteht. Während die tätowierte Gertie im knallroten Etuikleid aus Seidensatin mit ihren weiblichen Rundungen noch eine ziemlich gute Figur macht, hätte dem Fotoshooting der weiteren Kleider aber trotzdem eine Stylistin gut getan (Sorry for that in the case, that there was one). Schließlich schreibt Gertie in den Anleitungen im ersten Teil von qualitativ hochwertiger Anfertigung und von Couture-Techniken. Da passen eine faltige Muschelsaum-Taille und Schuhe, die schlecht sitzen (*heul*), einfach nicht dazu.
Nichtsdestotrotz schmälert das meine anfängliche Begeisterung nicht. Und sobald ich mal zu viel Zeit übrig habe, würde ich mich gerne mal an einem vintageangehauchten Kleid versuchen. Ganz ehrlich finde ich diese Kleider – gerade bei kurvigen Frauen – der Hammer!
Rock’a’bella: Schnitt für Schnitt zur selbst genähten Kollektion*
220 Seiten / gebundene Ausgabe
bereits in der 2. Auflage erschienen bei Edition Fischer.
Bei Amazon*
kann man noch dazu einen Blick ins Buch erhaschen.
Über den Verlag: Edition Fischer hat in den vergangen Jahren viele Kreativbücher als deutschsprachige Ausgaben auf den Markt gebracht. Weitab vom Einheits-tatü-nähen steht die Kunst der Handarbeiten oder Zeichnungen im Vordergrund. Entsprechend sind alle Veröffentlichungen grafisch hervorragend gestaltet und haben wunderschöne Layouts. (Allein die Betrachtung der Bücher ist schon ein Genuss). Mittlerweile sind nicht nur Übersetzungen und ausländische Autoren im Programm. Bereits 2013 erschienen mit dem Mama-Baby-Nähbuch*
von Susanne Bochem sowie Upcycling mit Nähmarie *, Bücher mit Arbeiten deutscher Bloggerin (Susalabim und Nähmarie). Im Januar 2014 erschien außerdem das Buch „Entzückend schmückend„* von Johanna Rundel.
2 Kommentare
Fabulatoria
Klingt nach einem echt tollen Buch. Ich mag ja auch die Mode der 50er und 60er, aber ob ich sie nähen würde? Wahrscheinlich würde ich das Buch vor allem auch lesen :o)
Liebe Grüße, Carmen
Susanne Krauss
Ich mag den Stil der Kleider. Ist aber sicher aufwendig zu nähen. Ich schleich allerdings schon ewig um ein Bestellangebot herum, trau mich aber nicht, weil erfahrungsgemäß ein Kleid immer irgendwo, meist an den Schultern oder über der Brust, nicht passt oder (noch schlimmer) im Rücken Falten wirft. Deshalb fände ich selbstnähen gar nicht die schlechteste Alternative. Da kann man dann hinterher auch noch stolz sein, was man geschafft hat. Mir fehlt aber im Moment einfach die nötige Zeit. Aber aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben.
Liebe Grüße aus der Pfalz!